Me-too in der Fahrschulbranche

Maga­zin Roya­le am Frei­tag (21. April) im ZDF gese­hen? Jan Böh­mer­mann rich­te­te den Spot auf die Fahr­schul­bran­che. Er the­ma­ti­siert, dass jun­ge Frau­en Opfer von sexu­el­len Über­grif­fen durch ihre Fahr­leh­rer wer­den, indem er Kol­le­gin­nen und die Geschäfts­füh­re­rin des Bun­des­ver­bands Frau­en­be­ra­tungs­stel­len über ihre Erfah­run­gen berich­ten lässt. 

Was sie schil­dern, ist erschre­ckend: Als Frau sitzt man allein mit einem Mann – meist über 50 und Macho der alten Schu­le – im Auto. Ohne Zeu­gen. Und das wird weid­lich aus­ge­nutzt. „Kli­schee“ möch­te man da als Fahr­leh­rer rufen – doch schon nach dem in der Sen­dung gezeig­ten ers­ten Zitat von Kurt Bartels von der Bun­des­ver­ei­ni­gung der Fahr­schul­ver­bän­de (BVF) sowie den sexis­ti­schen Screen­shots von Social-Media-Sei­ten der Bran­che klappt man den Mund lie­ber wie­der zu. Und wie reagiert die Bran­che auf die Sen­dung? Wie man es bei die­sem The­ma gewohnt ist: Alles nur Ein­zel­fäl­le. Völ­lig über­trie­ben. Böh­mer­mann skandalisiert.

Wie wäre es, mal nicht reflex­haft alles abzu­strei­ten, son­dern zunächst tief Luft zu holen und nach­zu­den­ken? Denn Böh­mer­mann hat ja bei allen Zuspit­zun­gen im Kern recht: Man sitzt beim Fahr­schul­un­ter­richt zu zweit allein im Auto, es besteht ein Abhän­gig­keits­ver­hält­nis, die Betrof­fe­nen brau­chen den Füh­rer­schein, das Macht­ver­hält­nis kann aus­ge­nutzt wer­den. War­um soll­te es bei die­ser Kon­stel­la­ti­on in unse­rer Bran­che anders zuge­hen als in der Film­bran­che? (Mit der Katho­li­schen Kir­che will ich uns mal lie­ber nicht in einem Atem­zug nennen.)

Haben wir also ein Pro­blem? Besteht Hand­lungs­be­darf? Belast­ba­re Zah­len gibt es nicht. Aber jeder ein­zel­ne Fall ist einer zu viel. Unstrit­tig soll­te sein: Es ist Auf­ga­be eines jeden Fahr­schul­in­ha­bers, kla­re Kan­te zu zei­gen und gegen­über allen Mit­ar­bei­tern deut­lich zu kom­mu­ni­zie­ren: Sexu­el­le Über­grif­fe wer­den nicht gedul­det. Sie sind kein Kava­liers­de­likt, über das man mit einem Augen­zwin­kern hin­weg­se­hen könn­te, son­dern ein Kün­di­gungs­grund. Hilf­reich für die Fahr­schü­le­rin­nen kann der Hin­weis auf ein insti­tu­tio­na­li­sier­tes Beschwer­de­ma­nage­ment schon beim Abschluss des Aus­bil­dungs­ver­trags sein. Zum Bei­spiel könn­te eine Beschwer­de­box auf­ge­stellt wer­den, mit­tels der anony­mi­siert über Vor­fäl­le berich­tet wer­den kann. Zu wis­sen, dass man als Betrof­fe­ne nicht vor dem Fahr­schul­in­ha­ber in Recht­fer­ti­gungs­druck gerät, ist eine gro­ße Hil­fe. Und wenn Wechs­le­rin­nen von Über­grif­fen in ande­ren Fahr­schu­len berich­ten? Schwamm drü­ber – bei uns kommt das nicht vor – die­se Bot­schaft reicht nicht. Null Tole­ranz gegen­über Kol­le­gen, die sich nicht im Griff haben, ist gefragt. Es gibt eine Hot­line (08000 116 016), die nie­der­schwel­lig Hil­fe bie­tet, auf die man die Frau­en auf­merk­sam machen soll­te. Auch die Auf­sichts­be­hör­de der jewei­li­gen Fahr­schu­le muss ein­grei­fen, wenn ihr der­ar­ti­ge Fäl­le gemel­det werden.